Wie kommt ein Enten-Rezept in die Bildbiografie?

Elsässer «Zeitungs»-Ente à la Vaucher ist der Titel des Kapitels, welches ich jetzt eben abgeschlossen habe. Ich konnte hier der Versuchung nicht widerstehen, das Rezept einer meiner Leibspeisen in die Biografie Ruedi Walters hinein zu schmuggeln. Und das geht auch (fast) ohne Klimmzüge – nämlich so:
Ruedi Walters früher «Bühnen-Mentor» C.F. Vaucher war dafür bekannt, eine Tischrunde mit seinen mit Charme und Esprit vorgetragenen Anekdoten glänzend unterhalten zu können. Seine schönsten kulinarischen Anekdoten sind unter dem Titel «Herd, du  meine Güte!» erschienen. Diese hier bezieht sich auf eine Reise ins Elsass nach Kriegsende. Da wir von solchen  Reisen des Ensembles des Cabaret Kaktus wissen, dem C.F. Vaucher und Ruedi Walter damals angehörten, wollen wir uns die Freiheit herausnehmen, Ruedi zu der unten beschriebenen Tafelrunde mit hinzuzuzählen.


Hier also C.F. Vauchers Anekdote rund um einen Entenschmaus und verflogene Illusionen – und sein Rezept dazu hier.
«Ich erinnere mich genau, wo und wann es war: meine erste Ente nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Landgasthof lag abseits der elsässischen Metropole, durch Bäume von der Umwelt abgeschirmt. Er war gepflegt,  wohlerhalten. Er liess uns vergessen, was wir auf der Reise von der Schweizer Grenze bis dahin gesehen hatten:  verwüstetes Land, zerschlagene Häuser, Kirchen, wie in Sigolsheim, bei denen man durch das Portal eintrat und  gleichzei­tig hinaus, weil nur noch die Vorderfassade stehen geblieben war. Und keine zwanzig Kilometer vom Gasthof  entfernt lag der Struthof mit sei­nem Stacheldraht, den Baracken, dem Gasofen, dem Galgen ...
Dennoch waren wir guter Dinge, heiterer Laune. Der Krieg war vorbei. Das schafft jeweils eine Art Euphorie. Man  wird leben und normal sterben können, die Alarmsirenen werden für immer verstummen, man wird in der  Völkerverständigung leben können, im Frieden für alle Zeiten, ohne Gewalt und Terror, denn es wird niemals mehr  Krieg geben.
Um diese Wölkchen rosiger Zukunft kreisten unsere Gedanken – als die Wirtin uns die Ente auftischte, ein Canard à l' orange. Dieses leckere Ge­richt unterbrach unser Gespräch, da jeweils solche Köstlichkeiten die Mäuler verstummen  lassen. Es war ausgezeichnet und langentbehrt.
Ich habe seither oft an diese Ente zurückgedacht. Sie war mehr als ein Federvieh aus Fleisch und Knochen. Sie war ein  Symbol, Bildnis für jene Irrtümer, die gedacht, ge­schrieben und gedruckt, zu jener Zeitungs­-Ente werden, die auch die  Klügsten einmal genarrt hat. Es sind zwanzig  Jahre seither. Die damaligen Illusionen sind verflogen – das  Re­zept ist  geblieben.»